«Corona ist auf dem Bau eine grosse Herausforderung»

    Cosima Thurneysen, Geschäftsführerin des Arbeitsmarktkontroll-Vereins AMKB, über den Kampf gegen die Pandemie, die wichtige Rolle der Sozialpartner und die Digitalisierung.

    (Bilder: zVg) Bis Ende Juli hat die AMKB rund 600 Corona-Kontrollen durchgeführt.

    Im März hat die Corona-Pandemie auch die Schweiz mit voller Wucht erwischt. Und plötzlich hatte die AMKB eine neue Rolle. Wie haben Sie diese dramatischen Tage erlebt?
    Der Auftrag des Regierungsrates, die Hygienekontrollen auf den Baustellen im Kanton Basel-Landschaft durchzuführen, kam wie so vieles in der Corona-Krise überraschend. Dank der flexiblen Organisation, der ständigen Präsenz auf den Baustellen und dem geleisteten Sondereffort konnte die AMKB bereits am nächsten Morgen mit den Hygienekontrollen beginnen.

    Cosima Thurneysen, Geschäftsführerin der AMKB

    Kontrollen im Gesundheitsbereich waren bisher nicht Aufgabe der AMKB. Wo liegen die grössten Herausforderungen?
    Zu Beginn war es für uns selbst gar nicht so einfach, dabei die Hygienevorgaben einzuhalten: Desinfektionsmittel waren ja knapp. Wir konnten zum Glück welches von einer Schnapsbrennerei im Baselbiet beziehen. Das roch aber auch entsprechend. Wir fragten uns mehr als einmal, wie wir das wohl bei einer Polizeikontrolle erklären könnten (lacht). Aber ernsthaft: Zwar verhielt sich die Mehrheit der Verantwortlichen auf den Baustellen kooperativ. Aber eine Minderheit musste erst noch von der Notwendigkeit der Massnahmen überzeugt werden. Das war nicht immer einfach.

    Wie muss man sich eine Corona-Kontrolle konkret vorstellen?
    Schon bei der Anfahrt schauen wir, ob die Arbeitnehmenden die Abstände einhalten. Denn sobald wir uns auf der Baustelle vorgestellt haben, hält sich natürlich sowieso jeder an die Distanzvorgabe. Die verantwortlichen Personen führen uns dann herum und zeigen, welche Vorkehrungen sie getroffen haben.

    Ist Abstand auf dem Bau schwer umzusetzen?
    Ja, Corona ist auf dem Bau eine grosse Herausforderung. Schwere Lasten kann man beispielsweise nur zu zweit tragen. Dann braucht es Masken.

    Was ist neben der Distanz die wichtigste Massnahme auf den Baustellen?
    Das Händewaschen. Wenn man einen Aushub für ein Einfamilienhaus macht, hat man auf der Baustelle nichts, keine Wasseranschlüsse, kein Waschbecken. Diese Infrastruktur muss bereitgestellt werden.

    Was passiert, wenn Sie Mängel antreffen?
    Wir machen die Verantwortlichen auf die Mängel aufmerksam. Wir sehen uns hier aber auch in einer beratenden Funktion: Wie kann man die Regeln umsetzen? Gerade zu Beginn waren die Zuständigen dafür sehr dankbar. Das ist ja nicht ihr Kerngeschäft.

    Wie viele Kontrollen haben Sie bisher durchgeführt?
    Bis Ende Juli rund 600 Corona-Kontrollen. Bei 40 Prozent gab es – meist kleinere – Mängel. Die Firmen haben dann zwei Tage Zeit, um sie zu beheben. Das funktioniert fast immer. Wir mussten dem Kanton nur acht Baustellen melden, bei welchen die zweite Kontrolle nicht zufriedenstellend ausfiel.

    Wie beurteilen Sie die Kontrolltätigkeit nach einem halben Jahr?
    Ich ziehe ein positives Zwischenfazit. Wir sind beeindruckt, was die Firmen in kurzer Zeit und innovativ auf die Beine stellten.

    Wie geht es weiter?
    Die Corona-Pandemie ist bekanntlich nicht vorbei. Wir führen deshalb weitere Kontrollen im Auftrag des Kantons durch. Und wir haben eine Präventionskampagne mit Plakaten und Inseraten lanciert. Gewisse Ermüdungserscheinungen beim Einhalten der Schutzmassnahmen machen auch vor dem Bau nicht halt. Da halten wir dagegen.

    Wurde die normale Kontrolltätigkeit der AMKB praktisch eingestellt?
    Nein, wir führten weiterhin GAV- und Schwarzarbeitskontrollen durch. Diese liessen sich mit den Hygienekontrollen gut kombinieren.

    Was kontrolliert die AMKB bei GAV und Schwarzarbeit genau?
    Einerseits die Einhaltung der allgemeinverbindlich erklärten Gesamtarbeitsverträge, im Auftrag der Paritätischen Kommissionen, also der Sozialpartner. Dort steht die Einhaltung der Mindestlöhne im Mittelpunkt. Bei den Schwarzarbeitskontrollen für den Kanton prüfen wir, ob die Arbeitnehmenden vorschriftsgemäss gemeldet sind, ob sie also zum Beispiel gegen Unfall versichert sind.

    Händewaschen: Infrastruktur musste bereitgestellt werden.

    Warum ist diese Kontrolltätigkeit so wichtig?
    Wir decken viele Missstände auf. 2019 führten wir 450 Schwarzarbeitskontrollen durch und fanden rund 90 Verstösse. Bei jeder fünften kontrollierten Firma war also etwas nicht in Ordnung. Bei den 500 Kontrollen zu den flankierenden Massnahmen war die Missbrauch-Quote mit knapp 14 Prozent etwas tiefer.

    Hat die Quote der Verstösse über die Jahre abgenommen?
    In der Tendenz haben die Verstösse leicht abgenommen, die Quote ist aber immer noch hoch.

    Nicht in allen Regionen kontrolliert ein Organ wie im Fall der AMKB gleichzeitig GAV und Schwarzarbeit. Was ist der Vorteil?
    Missbrauch im Arbeitsmarkt verläuft nicht entlang der verschiedenen gesetzlichen Grundlagen. Häufig entdecken wir bei GAV-Kontrollen auch Schwarzarbeit-Verstösse und umgekehrt. Zudem ist der Aufwand für die Unternehmen kleiner: Sie haben nicht mehrmals hintereinander Kontrolleure auf der Baustelle.

    Warum wird die AMKB von den Sozialpartnern getragen, also Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern?
    Die Sozialpartner schliessen die Gesamtarbeitsverträge ab und kennen die Verhältnisse in den Branchen. Die Qualität und die Akzeptanz der Kontrollen ist deshalb viel höher.

    Auf den Baustellen hat die AMKB hohe Akzeptanz. In den Medien werden Sie aber oft kritisiert. Wie erklären Sie sich das?
    Ich kann das tatsächlich nicht recht verstehen. Denn der Regierungsrat Basel-Landschaft stellt der AMKB in seinen jährlichen Berichten ein sehr gutes Zeugnis aus: hohe Qualität, Transparenz und Erfüllung der Leistungsvereinbarung. Wir sind in einem politisch umstrittenen Gebiet tätig und geraten deshalb nicht wegen unserer konkreten Tätigkeit ins Kreuzfeuer.

    Kommen wir noch auf die Zukunft der Arbeitsmarktkontrollen zu sprechen. Verändert die Digitalisierung auch Ihre Arbeit?
    Auf jeden Fall. Seit mehr als einem Jahr arbeiten wir mit der Kontroll-Applikation baticontrol, die wir mit entwickelt haben. Damit werden die verschiedenen Schritte einer Kontrolle und die vielen involvierten Stellen digital vernetzt. Der Aufwand sinkt, und wir können gezielter kontrollieren.

    Aber auch abseits technologischer Fragen betont die AMKB, sich stetig zu professionalisieren.
    Ja, wir arbeiten konsequent daran, uns als Kompetenzzentrum für Arbeitsmarktkontrollen weiter zu verbessern. Wir wollen noch effektiver und effizienter werden. Die Bündelung von GAV- und Schwarzarbeitskontrollen in verschiedenen Branchen bringt enorm viel, und auch die breite und konstante Präsenz auf den Baustellen müssen wir beibehalten und ausbauen.

    Wagen sie eine Prognose zum Abschluss: Was wäre in einem Jahr unser wichtigstes Thema in einem Interview zur AMKB?
    Ich hoffe, dass der Titel nicht mehr zu Corona sein wird… Folgende Schlagzeile würde mir gefallen: «Die AMKB – ein Vorbild für die Arbeitsmarktkontrolle in der ganzen Schweiz!» (lacht).

    pd

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