Eine Branche im Digitalisierungs- und Innovationsfieber

    Die Swissbau 2022 – die Leitmesse im Bereich Bau und Haustechnik – ist schon wieder Geschichte. Statt im Januar wurde sie diesmal – aus bekannten Gründen – in einer kompakteren Form im Mai durchgeführt. Der Fokus lag aufgrund der Kompaktheit stark auf dem Thema Innovation (mit dem Innovation Lab) und Digitalisierung sowie auf der interdisziplinären Veranstaltungs- und Netzwerkplattform Swissbau Focus. Und das mit gutem Grund.

    (Bilder: zVg / SWISSBAU)

    Das Digitalisierungs- und Innovationsfieber grassiert in (fast) jeder Branche. In den letzten Jahren besonders ausgeprägt ist diese Tendenz in der Baubranche. Kein Wunder, wenn man bedenkt, wie viel Geld und Zeit wert ist in dieser Branche und wie wichtig Effizienzsteigerung und das Minimieren von Fehlplanungen und Leerläufen sind.

    Lieber früher als später muss sich jedes Unternehmen mit der Frage beschäftigen, wie man mit der Digitalisierung arbeiten möchte. Es drängen neue Technologien, digitale Planungsmethoden und intelligente Baumaschinen in die Baubranche. Das Thema Digitales Bauen ist allgegenwärtig. Einher gehend damit, zeigt sich auch der aktuell in der Branche spürbare sanfte Generationenwechsel in den Führungspositionen in den KMU.

    Das Thema Vernetzung und Planung hatte schon an der Swissbau 2020 noch mehr Interessierte angelockt als je zuvor. In diesem Jahr war es gar das Hauptthema. Den Trend bestätigten auch die Aussteller und Anbieter. Die Planer und Installateure, Spengler, Bauunternehmen, Gebäudetechniker sind auf der Suche nach einer Optimierung ihrer Planungssoftware. Neuerungen wie BIM, die den Zugriff auf detaillierte Produktdaten der Lieferanten ermöglichen, sind sehr interessant. BIM bedeutet «Building Information Modeling» und ermöglicht es Design- und Konstruktionsteams, Bauherren oder Software-Entwickler über ein System zu kommunizieren und Informationen über verschiedene Ebenen hinweg zu koordinieren, die bisher noch nie gesehen wurden: Vom ersten Entwurf über den Bau bis hin zur Wartung durch den Einsatz digitaler Systeme. Alle Informationen bleiben während der gesamten Lebensdauer des Projekts erhalten, bevor mit dem Bau begonnen wird.

    Innovationsdurst spürbar
    Der Innovationsdurst in dieser Branche zeigte sich unter anderem auch im Swissbau Innovation Lab. Die Plattform für digitale Transformation zeigte den Besucher/innen erlebnisnah, welche digitalen Lösungen heute schon Realität sind und welche neuen Technologien und Anwendungen die Zukunft der Branche prägen werden. An praktischen Beispielen wurde aufgezeigt, wie gemeinsam das High Performance Building der Zukunft aussehen soll. Im iRoom, dem 270° Kino, wurden diese neuen Ideen in einem 20-minütigen Film präsentiert. Über 80 Partner, von grossen Herstellern bis zu «jungen Wilden», zeigten live ihre innovativen Lösungen.

    Grosse Fortschritte in der Robotik und in der Smartifizierung

    Darunter gehörten auch die Teilnehmenden am Finale der Swissbau Startup Challenge, einem Projekt der Swissbau und der Startup Academy Switzerland. Während neun Monaten wurden Startups und Scale-ups, die sich vorher für das grosse Finale an der Swissbau qualifizieren mussten, systematisch auf ihren Auftritt im Finale vorbereitet und mit etablierten Firmen der Branche vernetzt. Moritz Kistenmacher, Geschäftsleiter der Academy Liestal und Projektleiter der Swissbau Startup Challenge wollte mit der Kooperation vor allem die Vernetzung zwischen den Startups und den grossen Playern der Branche fordern und fördern. Das Fazit war hervorragend und mit ihren innovativen Ideen und überzeugenden Pitches, haben drei Jungunternehmen am krönenden Finale der Swissbau Compact sowohl die Fachjury wie auch das Publikum begeistert.

    Der 1. Platz ging an das Scale-up Joulia SA. Ihr Slogan: «Ob Klimaaktivistin oder Warmduscher…mit Joulias Duschrinnen mit Wärmerückgewinnung werden alle zu Gewinnern» und so wurde auch Joulia’s faszinierend einfache Energiesparlösung von der Jury gekürt. «Es hat uns sehr erfreut, dass unsere Lowtech Idee zur Abwassergewinnung in einer Zeit in der vieles sehr komplex und digital ist die Jury heute überzeugen konnte» sagte Reto Schmid, CEO bei Joulia SA, der das Projekt am InnovationLab der Swissbau präsentierte.

    Das Unternehmen sun2wheel AG ist aus der Region und stellte ihr intelligentes bidirektionales Lade-und Speichersystem für Elektrofarzeuge vor und gewann damit den 2. Platz. «Der Gewinn ist sehr motivierend, da es zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind und es unsere Idee festigt», meinte Pascal Städeli nach dem erfolgreichen Pitch.

    Den dritten Platz errang luucy ag mit ihrer interaktiven Plattform mit digitalem 3D Zwilling, wo Informationen, Darstellungen und Simulationen für die Raum- und Immobilienentwicklung in der Schweiz geboten werden. Mark Imhof, Geschäftsführender Partner bei Luucy empfiehlt die Challenge als wertvolles Fokussierungstool. Ebenfalls zu den Finalisten gehörten Eliona Smart Building Assistant,Singular AG und smartconext.

    Digital Leader gefordert
    Wie die Baubranche besonders stark von der Digitalisierung profitiert, wurde bereits 2020 vom Experten Daniel Hayoz (Head of Sales Datacenter bei der ENGIE Services AG) in einem viel beachteten Blog der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW zu diesem Thema aufgelistet. So verweist er auf die Wichtigkeit von BIM und der Vernetzung im Generellen, aber auch auf das digitale Vertriebsmanagement, welches eine verbesserte Kundenbindung ermöglicht. Des weiteren gehe es in der Baubranche noch explizit um globale digitale Beschaffungsnetzwerke, um Augmented- und Virtual Reality (auch für Schulungszwecke oder in der Planungsphase eines Gebäudes), Simulationssoftware für Datacenter, intelligente Baustellenlogistik, Drohnen, 3D-Laser und Bauroboter, sowie 360° Building Analyzer. Immer mehr in den Vordergrund drängt in diesem Zusammenhang auch die Mixed Reality. Für die Umsetzung brauche es so genannte Digital Leader, um neue Prozesse und Denkkonzepte anzustossen und das Digitalisierungspotenzial maximal auszuschöpfen. An der Swissbau wurde auch dieses Jahr wieder deutlich, dass in diesen Aspekten die Zukunft liegt.

    JoW


    Die grossen Trends 2022

    Construction Intelligence, Lean Construction Management, Mixed Reality und KI… das sind einige der vielen Trends, die sich nun in der Branche durchsetzen.

    Construction Intelligence basiert darauf, Entscheidungen aufgrund von Daten anstelle des Bauchgefühls zu treffen. Mit den faktenbasierten Prozessen sollen zukünftige Entwicklungen und Abläufe besser planbar sein. Damit sind in der Regel Software-Programme verbunden, die Bauprojekte aktiv von A bis Z begleiten.

    Der Top Trend in der Baubranche indessen ist und bleibt das im Artikel oben bereits beschriebene BIM. Noch ist BIM nicht ausgereift, aber irgendwann gibt es in den meisten Software-Programmen eine Schnittstelle für BIM. Getrieben durch die öffentliche Hand, wird BIM forciert, denn es soll die Kollaboration zwischen allen in einem Projekt involvierten Parteien in einem Bauprojekt digitalisieren. Dabei schreibt die BIM Methodik vor, mit 3D-Modellen zu arbeiten.

    Die Digitalisierung der Baustellen schreitet also stark voran. Es entwickelt sich zu einer Smartifizierung, wo Augmented Reality, Virtual und Mixed Reality eine immer grössere Rolle spielen. Ein Beispiel: Das holografische Projizieren von 3-D-Modellen auf die reale Welt erhöht Qualität und Effizienz bei Planung, Bau und Betrieb, wird eine gewisse Planungssicherheit erwirken und mittelfristig Kosten sparen. Mittels intelligenter Software werden in Zukunft auch Sachen möglich sein wie beispielsweise das Einbauen von Feuchtigkeitssensoren, welche über IoT kommunizieren und dadurch energiesparend sind. Auch die verlängerte Lebensdauer der Einrichtungen gehört zu den erweiterten Mehrwerten von IoT.
    Heute haben die Anwendungs- und Umsetzungskompetenzen zugenommen. Das zeigt sich beim Lean Construction Management. Dieses beschäftigt sich in erster Linie mit einem prozessorientierten Baustellenablauf. Nicht die Erfahrungswerte bei der Planung stehen im Vordergrund, sondern die Prozesse an sich. Der Mehrwert: Durch das schrittweise Planen können Missverständnisse untereinander vermieden und somit auch ein reibungsloser Ablauf herbeigeführt werden. Ein grosses Thema ist das nachhaltige Bauen und alternative Baustoffe. Immer mehr Unternehmen in der Branche beschäftigen sich mit der Herstellung nachhaltiger Roh- und Baustoffe zu denen unter anderem Fertigteile aus Holz oder Glas gehören. Dazu gehören beispielsweise recycelte Kunststoffe, die im Haus- und Wohnungsbau eingesetzt werden können. Aber auch längst in Vergessenheit geratene Rohstoffe sind wieder auf dem Vormarsch und begünstigen nachhaltiges Bauen: Stroh wird mehreren Berichten zu Folge erfolgreich als Dämmmaterial im Wohnungs- und Hausbau eingesetzt.

    Weitere Trends: Durch Modulares Bauen ergibt sich eine schnelle Baustellenabwicklung und es können Kosten und Ressourcen eingespart werden. Man braucht zudem weniger Fachkräfte, um die Bauteile zusammenzusetzen. Vor allem aber reduziert sich die Einsatzzeit von Arbeitskräften. Mit Cloud Collaboration Tools geht auch vieles effizienter. Und schliesslich wird der Generationenwechsel und das Change Management über Erfolg und Misserfolg eines Unternehmens mitentscheiden.

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