Krisenkommunikation – Es gibt kein standartisiertes Rezept

    Wie können Unternehmen bei heiklen internen Vorfällen einen Shitstorm verhindern?

    Als der Shitstorm über das «Unternehmen Mitte» hereinbrach, war alles schon zu spät: Der Imageschaden ist kaum mehr zu beheben, es wurde ein Keil zwischen langjährige unternehmerische Partnerschaften getrieben und die wirtschaftlichen Folgen werden wohl noch spürbar bleiben. Immer wieder erleben Unternehmen eine solche Situation, der sie kaum mehr Herr werden können. Was tun, um dies zu verhindern?

    (Bild: PEXELS) Wenn die Krisenkommunikation misslingt und ein Shitstorm folgt, hat man als Unternehmen ein echtes Problem…

    Wie verhalte ich mich bezüglich Kommunikation und Eigendarstellung bei einem Problem in Zeiten der Empörungsgesellschaft und der Medientransparenz? Wie kann man einen Shitstorm verhindern? Dieses Thema ist ein fortlaufendes, war jedoch in den letzten Wochen in der Region Basel besonders im Fokus im Zusammenhang mit mutmasslichen Belästigungsvorfällen in der Gastronomiebranche. Die Empörung über den Umgang mit der Situation im «Unternehmen Mitte» beispielsweise schlug um in einen offenen Shitstorm und hatte sogar öffentliche Proteste zur Folge. Der Vorwurf: man habe zu zögerlich auf die Hinweise der sexuellen Belästigung reagiert und sei nicht genügend proaktiv geworden mit Sanktionen gegen den Beschuldigten. Andererseits wurde die Geschäftsführung des in alternativen Kreisen populären Restaurants «Hirscheneck» in den Medien (speziell in den sozialen Plattformen) gelobt für einen proaktiven Kommunikationsstil in Bezug auf einen ähnlichen Fall im internen Umfeld.

    Kontroverse um die Problembehandlung bei schweren internen Vorfällen
    Nun stellt sich für viele die Frage: Wer hat richtig und wer hat korrekt gehandelt? Gibt es eine Grauzone? Wie soll man einen Vorfall kommentieren und behandeln, wenn (noch) eine Unschuldsvermutung vorliegen könnte? Wo ist die rote Linie? Diese Fälle sorgten in der Region für viel Diskussionsstoff und kontroverse Meinungen. Wie kann man in einem solchen Fall als betroffenes Unternehmen einen Shitstorm vermeiden? Wir haben Boris Rauscher, den Präsidenten des Schweizerischen Verbandes für Krisenkommunikation, hierzu befragt. Er betont hierbei, dass er im Namen des VKK (Schweizer Verband für Krisenkommunikation) gerne die Fragen beantworte, jedoch festhalten möchte, dass er sich lediglich allgemein, losgelöst von den obgenannten Fällen, zum Thema Shitstorm äussern werde, da die weitgehend vertrauliche Detailkenntnis für ein spezifisches Urteil fehle.

    (Bild: zVg) Boris Rauscher – Präsident des Schweizerischen Verbandes für Krisenkommunikation

    Boris Rauscher, wie kann man als Unternehmen einen Shitstorm, eine sich noch mehr aufbauende dynamische Entwicklung und den Imageverlust verhindern, wenn noch gar nicht zu 100 Prozent geklärt ist, wie der Tatbestand tatsächlich ist?
    Boris Rauscher: Kommunikationskrisen, wie beispielsweise der von Ihnen thematisierte Shitstorm, können nicht standardisiert abgearbeitet, jedoch sorgfältig und mittels verschiedener Szenarien vorbereitet werden. Ein Shitstorm gilt meist als eruptive, also überraschende Krise und kann durch einzelne Ereignisse hervorgerufen werden. In der Tendenz werden Krisen immer kurzlebiger, der eigentliche Hype dauert oft nur wenige Tage, kann aufgrund der Intensität jedoch einen massiven, auch langfristigen Reputationsschaden verursachen. Ein Shitstorm in den sozialen Medien und die mit ihm verbundene dynamische Entwicklung lassen sich nicht in jedem Fall steuern oder verhindern. Wichtigste Präventionsmassnahmen sind ein offenes, faires, diskriminierungsfreies und auf Gleichberechtigung basierendes Klima in einem Unternehmen, das zudem über klare Bestimmungen zum Vorgehen bei Belästigungsvorwürfen verfügt und diese zeitnah, vorurteilsfrei und unvoreingenommen klärt. Falls dennoch aufgrund von berechtigten oder unzutreffenden Vorwürfen ein Shitstorm entsteht, kann der Imageverlust mit guter Vorbereitung und adäquaten Reaktionen minimiert werden.

    Wie ist konkret das Vorgehen, wenn die Befürchtung eintritt, man könne einer solchen Situation ausgesetzt werden, oder wenn der Shitstorm schon volle Fahrt aufgenommen hat?
    Ich empfehle, gemäss den sechs Phasen der VKK-Crisis-Map vorzugehen: Phase 1 umfasst das Wahrnehmen und das Bewusstsein, gefolgt von der Identifizierung des Problems und dem Priorisieren in Phase 2. Die weiteren Phasen betreffen das Beschreiben und Vorbereiten, das Erkennen und Einordnen, das Führen und Abstimmen und schliesslich das Evaluieren und Lernen. Der erwähnte Fall «Unternehmen Mitte» befindet sich bereits in Phase 5. Allfällige Fehler, die in früheren Phasen erfolgt sind, lassen sich nicht mehr aus dem Weg räumen. Hier ist es essenziell, dass folgende Fragen beantwortet werden: Was wissen wir? Welche Ursachen haben zur Krise geführt? Was hat die Krise ausgelöst? Sind uns Fehler unterlaufen, die wir jetzt rasch korrigieren müssen? Wie führen wir durch die Krise? Wie richten wir den Fokus aus?
    Die Verantwortlichen sind nun aktiviert, die aktuelle Faktenlage ist geklärt und wird laufend überprüft. Die Krise wird danach gemäss Krisen-Manual bewältigt mit dem Ziel, dass die Reputation und das Vertrauen der Organisation geschützt werden und maximale Schadensminimierung eintritt.

    Wie wichtig ist eine proaktive und schnelle Reaktion? Manche Unternehmen sitzen Probleme ja auch gerne aus…
    Es ist wichtig, in einer Krise schnell zu reagieren, auf Augenhöhe zu kommunizieren, Fehler einzugestehen und diese zu kommunizieren. Dies bedeutet, sich mit kritischen und fundierten Kommentaren auseinander zu setzen und keine Zensur zu betreiben. Ist es, wie im beschriebenen konkreten Fall, so, dass der Sachverhalt nicht eindeutig geklärt ist, gilt es auch hier, dies zu kommunizieren. Das heisst auch, keine einseitigen, voreingenommenen oder voreiligen Botschaften auszusenden sowie Handlungsbedarf zu identifizieren und die entsprechenden Aufträge zu erteilen. Wenn eine Frage beispielsweise aus persönlichkeitsrechtlichen Gründen nicht beantwortet werden kann, ist auch dies einleuchtend zu begründen.

    JoW, Interview: DaC.
    Quelle: www.verband-­krisenkommunikation.ch


    Selbst verschuldeter «Horrortrip»?

    Unternehmen Mitte, Hirscheneck, FC Basel – Die Krisenkommunikations-Fachleute der Region hatten in den letzten Wochen eine Menge zu debattieren. Besonders schlagzeilenträchtig: Der offene Machtkampf zwischen Bernhard Burgener und seiner Entourage gegen David Degen und seine Unterstützer/innen. Gesellschaftlich sogar für noch mehr Aufmerksamkeit aufgrund des mutmasslichen sexuellen Übergriffs sorgte der «Fall Unternehmen Mitte». Was war eigentlich passiert? Rund um den Wirbel in diesem Fall hatte die Geschäftsleitung einen «Krisenstab» eingerichtet, hiess es in einer eiligst erstellten Medienmitteilung. Zudem wurde kommuniziert, dass das Arbeitsverhältnis mit dem betreffenden Mitarbeiter «aufgelöst» worden sei. Die Geschäftsleitung suche «die Zusammenarbeit mit einer unabhängigen externen Meldestelle für Themen wie sexuelle Belästigung und Mobbing, an die sich die Mitarbeitenden zusätzlich wenden können» Zudem distanzierte sich das Unternehmen ausdrücklich «von jeglicher Form der sexuellen Belästigung und Mobbing». Verstösse würden «nicht toleriert und konsequent geahndet». Zur Empörung kam es, als bekannt wurde, dass das Opfer sich wehrte und danach entlassen worden sei. Nach dem Vorfall geriet man in einen Shitstorm. Mieter wendeten sich ab, auch gab es vor dem Lokal eine Demonstration. In einem offenen Brief wurde der beschuldigte Mitarbeiter mit regelmässigen «übergriffigen, homophoben und sexistischen Bemerkungen» in Verbindung gebracht. Solche seien an der Tagesordnung gewesen, hätten aber nie Konsequenzen gehabt. Danach versuchte die Geschäftsleitung verzweifelt, den Imageschaden zu korrigieren, auch mit der Entlassung des Mitarbeiters. Für den Mann gilt aber noch immer die Unschuldsvermutung, solange die Vorwürfe nicht gerichtlich beurteilt sind. Ein Strafverfahren sei hängig. Man wolle alle Vorwürfe «selbstkritisch» untersuchen.
    (Zusammengetragen aus div. Quellen)

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