Sportstadien und Events: Adieu «Energieschleuder»

    Mit nachhaltigem Stadionbau kann man im und um den Sport einiges für die Schonung der Umwelt tun. Zum Beispiel durch nachhaltigen Stadionbau und mit flankierenden ökologischen Massnahmen bei Events.

    (Bilder: zVg) St. Jakob-Park (Bild), Bossard Arena & Co: Die Stadionplaner und -betreiber achten heute auf eine sehr gute Nachhaltigkeitsbilanz.

    Nachhaltiger Stadionbau ist heute in vielerlei Hinsicht nicht einfach nur ein Lippenbekenntnis. Denn mit einer Nachhaltigkeitsstrategie lassen sich nicht nur enorm viele ablauftechnische wie auch wirtschaftliche Synergien im Bereich der Energieversorgung und -nutzung anstreben, sondern eben auch Stadien und die Events umweltschonend betreiben. Der Verkehr, der Energieverbrauch und der Abfall: Das sind die drei grossen Themenfelder, die ein Sportereignis bezüglich Umwelt­schonung beachten muss. Da Grossveranstaltungen stets mit hohen Strömen in verschieden Bereichen verbunden sind, entsteht viel Abfall und es werden viele Energie­träger und Baumaterialien benötigt. Der Austragungsort der Veranstaltung spielt in diesem Kontext nur eine sekundäre Rolle.

    Einverstanden, der Sport ist kein Hauptverursacher von Umweltbelastungen, aber man kann dennoch im sportlichen Umfeld, bei den Veranstaltern und bei den Clubs einiges dafür tun, dass die Nachhaltigkeit optimiert wird. Dies geschieht nicht nur im Bereich des Stadionbaus oder bei Sanierungen, sondern auch bezüglich anderer, begleitender Aspekte wie beispielsweise bei der Mobilität der Fans, beziehungsweise der Zuschauermassen. Die Ökobilanz und der ökologische Fussabdruck eines Vereins oder eines Events sind oftmals ziemlich aussagekräftig.

    Stadien mit Minergie-Standard
    Besonders interessant sind in der Schweiz einige Beispiele, wovon wir deren vier herauspicken wollen. Zum Beispiel jenes der Bossard Arena in Zug, welches höchsten Nachhaltigkeits-Ansprüchen im Bereich des alltäglichen Betriebes genügt und sogar nach Minergie-Standard gebaut wurde. In der Heimspielstätte des Schweizer Eishockey-Topclubs EV Zug ist bis ins Detail alles auf Synergien und Energieoptimierung ausgerichtet. Auch im Bereich Werkhof, wie Bossard Arena Geschäftsführer Jürg Casalini bestätigt: «Mit unserem System, welches erlaubt mit Seewasser zu arbeiten, verbinden wir natürlich viele Synergien. Die Kompressoren und Wärmepumpen der vier Eisfelder inklusive eine Curling-Spielfläche werden mit fünf Grad warmem Seewasser versorgt und später auch wieder ökologisch sauber in den See-Kreislauf entlassen. Meist auch noch deutlich kühler als ursprünglich bezogen. Dies verhindert Algenbildung und ist wichtig für die Lebewesen im See. Mit der Abwärme können wir nicht nur das Eishockeystadion heizen, sondern auch noch das nebenstehende Hochhaus, die gegenüberliegende Wohnüberbauung und die Trainingshalle. Wir verzichten komplett auf eine Ölheizung. Der Clou am Ganzen ist ja, dass wir durch dieses System die Energiekosten auffangen, indem wir den anderen Bezügern einen Teil davon verrechnen.» Im Winterbetrieb wenn die Eisfelder in Betrieb sind, wird die entstehende Abwärme zusätzlich genutzt um die Bossard Arena und die umliegenden Infrastrukturen zu beheizen. Selbst die Photovoltaik-Anlage auf dem Dach, welches der Bossart Arena nur marginal nutzt, bringt einen Nutzenfaktor mit sich: Die Wasserwerke Zug erhalten die 3’000 Quadratmeter Fläche und konnten die 2’050 Solarmodule installieren und somit 200’000 Kilowattstunden produzieren. Gleichzeitig beteiligt sich die Stadt Zug mit jährlich 200’000 Franken am Unterhalt der Eishallen (die Kunsteisbahnen gehören der Stadt, der EV Zug ist Hauptmieter) und man erhielt eine halbe Million Franken Kredit für eine neue Sprühfluh-Anlage. Es ist ein gegenseitiges Geben und Nehmen.

    Bei der Planung der Bossard Arena war die oberste Prämisse zu verhindern, dass Kunsteisbahnen ihren Ruf als Energieschleudern zementieren. Die neuen Generationen von Stadien, speziell Eisstadien, sollen energieeffizient sein, eine Wärmerückgewinnung auf allen Stufen maximal nutzen, technisch und praktisch sinnvolle Lösungen einsetzen und ein grosser Energieumsatz mit möglichst wenig Primärenergie erzielen. Dies ist in Zug offenbar sehr gut gelungen. Optimierungen sind gemäss Jürg Casalini noch möglich. Sowohl bezüglich der Zusatznutzungen wie auch der Energie­optimierungen. Eine ganzheitliche Nutzung der energieeffizienteren und langlebigeren LED-Beleuchtungen wäre erstrebenswert, wie er betont. Die Abläufe im Werkhof sind mittlerweile sehr gut abgestimmt. «Da brauchte es schon einige Monate, bis alles Hand in Hand lief und alles funktionierte. Unsere grösste Herausforderung waren jeweils immer die Umstellungen von Winter auf Sommerbetrieb und die Planungen rund um die Playoffzeit im März und April. Das ist eine Herausforderung auch im Bereich des Einsatzes wie auch Bereitstellung der Maschinen und Fahrzeuge», fügt der Geschäftsführer an.

    Das hohe Ziel eines «klimaneutralen Events»
    Wichtig für die Beurteilung der Nachhaltigkeit einer Sportstätte ist der ökologische Fussabdruck, den der Betrieb erzeugt. Einige Beispiel zeigen, wie man den ökologischen Fussabdruck eines Events oder Stadions optimieren kann: In Zürich hat man einen strategischen und langfristig ausgerichteten Entscheid getroffen, in Zukunft ein CO2 neutrales und nachhaltiges Leichtathletik-Meeting im Stadion Letzigrund durchzuführen. Die Basis für alle in Zukunft zu treffenden Massnahmen bilden die umfassenden Umweltanalysen, die vor einigen Jahren schon bei «Weltklasse Zürich» durchgeführt wurden. Dabei wurden mit verschiedenen Experten (unter anderem MyClimate, Uni Bern) auf wissenschaftlicher Basis die Bereiche Infrastruktur, Transport, Nahrungsmittel, Abfall, Papier sowie Catering im Detail untersucht. In Zukunft wird zudem jährlich eine Standortanalyse durchgeführt.

    Grosser Fanaufmarsch bedeutet auch gleichzeitig viel Aufwand für die Nachhaltigkeit. Manche Events erreichen einen guten ökologischen Fussabdruck.

    Seit 2009 ist Weltklasse Zürich ein gewissermassen klimaneutraler Event und darf sich mit dem gleichnamigen Label schmücken. CO2-Emmissionen, die nicht vermieden werden können, werden zu 100 Prozent kompensiert. Die Projekte sind nach GoldStandard für hochwertige Klimaschutzprojekte zertifiziert. Mit dem Partner Erdgas wurde ein langfristiger Nachhaltigkeitsfond für die CO2-Kompensation eingerichtet. Dazu kam auch bereits vorher die Nutzung von Solarstrom, der den ganzen Strombedarf im Stadion Letzigrund abdeckt. Seit 2010 bezieht auch die Geschäftsstelle von Weltklasse Zürich einen Öko-Strommix, auch wenn damit höhere Kosten verbunden sind. Gleichzeitig werden auch die «flankierenden Öko-Massnahmen» berücksichtigt wie die Promotion der ÖV-Nutzung und gratis ZVV-Billette für alle Zonen für Stadionbesucher. Selbstverständlich ist auch das Recycling ein Thema: Es werden sämtliche Materialien recycelt und Mehrweggebinde mit Pfand eingesetzt.

    Stadioninterne Sonnenkraftwerke
    In Bern indessen betreibt die BKW Energie AG auf dem Dach des STADE DE SUISSE seit Mai 2005 das weltweit grösste stadionintegrierte Sonnenkraftwerk. Auf einer Dachfläche von 12’000 m2 sind rund 7’000 Solarpanels aus polykristallinem Silizium mit einem Wirkungsgrad von 15 Prozent des japanischen Herstellers Kyocera installiert. Deren Leistung beträgt bei optimaler Sonneneinstrahlung 1’300 Kilowatt. Über das ganze Jahr produziert das Sonnenkraftwerk rund 1’200’000 kWh Stunden Strom, genug um den Jahresbedarf an Strom von 400 Haushaltungen zu decken.

    «Green and Clean» in Basel
    Und auch im grössten Stadion der Schweiz, im Basler St. Jakob-Park, arbeitet man nachhaltig und nach dem Motto «Green and Clean». Hier pflegt man beispielsweise ein Einwegsystem mit Catering-Artikeln aus nachwachsenden Rohstoffen. Es ist ein Konzept, das ökologisch für ein abgeschlossenes System wie ein Fussball-Stadion passt, da es eine gesamtheitliche Herangehensweise mit einem geschlossenen Kreislauf ermöglicht. Bei einem Fussballspiel mit durchschnittlich 20’000 Zuschauern, was beim FC Basel meist als Minimalwert gilt, werden im St. Jakob-Park rund zwei Tonnen Abfall produziert, was zwischen 50 und 150 Gramm pro Zuschauer entspricht (Quelle: der ehemalige Betreiber Basel United). Bei bis zu 30 Grossanlässen im Stadion beträgt die jährliche Abfallproduktion rund 60 Tonnen. Seit dem allerersten FCB-Heimspiel im neuen Stadion Mitte Februar 2007 wird der Abfall im St. Jakob-Park getrennt und biologisch abgebaut. Trinkbecher für Bier, Mineralwasser, Süssgetränke und Kaffee, Kartonteller und -schalen, Servietten und auch das Matchprogramm «Joggeli-Magazin» werden aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt und können CO2-neutral und damit umweltgerecht entsorgt werden. Die nachwachsenden Rohstoffe sind pflanzlichen Ursprungs und sehr schnell erneuerbar.

    Das Abfallentsorgungskonzept sieht vor, dass über 90 Prozent des Abfalls, der im Stadion St. Jakob-Park produziert wird, biologisch abbaubar ist und zu Kompost verwertet wird. Das war damals schon eine echte Pionierarbeit.

    Auch für kleine Clubs in Kleinstadien viele Möglichkeiten
    Man kann aber auch bei kleinen Clubs und Vereinen viel dafür tun, damit die Umweltbelastung eingedämmt wird. Und auch für die Ersparnisse der eigenen Betriebskosten. Würde man die Sportstätten alle mit moderner Technik ausrüsten und umfassend sanieren, könnte man in der Schweiz mehrere Milliarden Kilowattstunden Strom einsparen – gemäss Experten würde dies ab einer gewissen Menge sogar mehr Kilowattstunden betragen als einige Kleinstädte im Jahr verbrauchen. Die positiven Nebenerscheinungen: Man spart Betriebskosten und kann je nach Fall, Verfahren oder Kantons­zugehörigkeit mit Fördergeldern oder Zuschüssen rechnen.

    Die Umsetzung nachhaltiger Konzepte bei Sanierungen oder Neubauten sind zudem nicht nur zum Schutz von Umwelt und Klima nützlich, sondern gelten auch als Überlebensstrategie für den eigenen Club. Möglichkeiten zur Kosteneinsparung durch zeitgemässere Technik finden sich nahezu in jedem Verein. Das erste Augenmerk richtet sich jeweils immer auf Waschräume mit oftmals bis zu 30 Jahre alten Duschen und Toiletten, 25 Jahre alten Heizkessel, Strom fressende Elektroheizungen, zugige Fenster und schlecht isolierte Dächer. In den Zeiten, als die meisten der heute noch in Betrieb stehenden Stadien gebaut wurden, spielten Energie- und Wasserkosten keine Rolle. Daher sind in den meisten Vereinen Heizkessel, Warmwasserspeicher oder Heizstrahler überdimensioniert und damit umweltschädlich und teuer. In den vergangenen zwei Jahren haben sich die Preise für Strom, Gas und Heizöl mehr als verdoppelt. Viele Kommunen haben zudem die Wasser- und Abfallgebühren deutlich erhöht. Gleichzeitig müssen Vereine heizen, verbrauchen viel Warmwasser im Sanitärbereich und Strom für die Kühlung oder das Flutlicht. Schon kleine Vereine haben oft viel zu hohe Betriebskosten. Kurz bis mittelfristig gesehen schafft also eine nachhaltige Sanierung oder ein Neubau nach zeitgemässen umweltfreundlichen Kriterien nicht nur eine Optimierung der Betriebskosten, sondern auch ein gutes Image.

    Joël Ch. Wuethrich

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